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Sparstreit Griechenland soll Troika Entlassungslisten vorlegen

Griechenlands Regierung droht am Sparkurs zu zerbrechen. Doch die internationalen Helfer bleiben hart: Neue Milliarden wollen sie erst genehmigen, wenn der Staat Entlassungen im Öffentlichen Dienst garantiert - und die Betroffenen namentlich benennt.
Demonstranten vor dem griechischen Parlament: "Nicht eine Entlassung akzeptieren"

Demonstranten vor dem griechischen Parlament: "Nicht eine Entlassung akzeptieren"

Foto: Milos Bicanski/ Getty Images

Thessaloniki - Nur äußerst knapp hat die griechische Regierung am Mittwoch ein neues Sparpaket durchs Parlament gebracht: Die Abgeordneten des kleinsten Koalitionspartners Demokratische Linke enthielten sich komplett. Sechs Abgeordnete der sozialistischen Pasok und ein Abgeordneter der konservativen Nea Dimokratia (ND) stimmten gegen die Einschnitte - sie wurden nur wenige Minuten nach der Abstimmung aus ihrer Fraktion ausgeschlossen.

Nun fürchtet die Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras um ihr Überleben. "Es besteht die Gefahr, dass wir es nicht bis zum Ende des Monats schaffen", zitieren ND-Kreise einen hochrangigen Minister.

Griechenland ist von den übrigen Euro-Ländern enttäuscht, besonders von Deutschland. Regierungsmitglieder meinen, sie hätten genug für die Überweisung der nächsten Tranche von Hilfsgeldern über 31,5 Milliarden Euro getan. Deren Auszahlung ist nach SPIEGEL-Informationen beschlossene Sache - doch eine offizielle Zusage steht weiterhin aus.

Die erhoffte sich Griechenland spätestens zum Treffen der Euro-Gruppe am Montag, doch diese Hoffnung zerstörte Wolfgang Schäuble (CDU). Der Bundesfinanzminister sagte am Donnerstag, er sehe nicht, wie es in der kommenden Woche zu einer Entscheidung kommen könne. Nun will sich die Regierung in Athen durch Blitzkredite in Form von Anleihen mit Laufzeiten von vier bis 13 Wochen über Wasser halten, die am Dienstag ausgegeben werden sollen.

Die griechische Regierung kämpft an zwei Fronten: Innenpolitisch drohen wegen des neuen Sparpakets Unruhen. Vor allem der Widerstand gegen die geplanten Arbeitsmarktreformen und den Stellenabbau im Öffentlichen Dienst sind gewaltig. Doch gerade hier will die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) konkrete Ergebnisse sehen.

"Die Troika erwartet, dass bis Ende des Jahres 2000 Angestellte des Öffentlichen Dienstes entlassen werden. Und sie geben sich nicht länger mit Zahlen zufrieden - sie wollen Namen und Vornamen", sagte ein mit den Verhandlungen vertrauter Regierungsmitarbeiter. Ein Gewerkschaftsvertreter bestätigte, dass die Forderung nach einer Namensliste im Raum stehe. Die Troika muss die Überweisung der nächsten Tranche noch genehmigen, doch sie zweifelt eine Reihe von Ankündigungen der Regierung an, darunter die immer wieder aufgeschobenen Privatisierungen.

Die Pasok steht vor der Selbstzerfleischung

Doch für die Umsetzung der Reformen sind weitere Abstimmungen im Parlament erforderlich - und die werden für das angeschlagene Regierungsbündnis immer schwieriger. Die Juniorpartner drohen am Streit über die Sparmaßnahmen zu zerbrechen, vor allem die einstmals dominante Pasok steht kurz vor der Selbstzerfleischung.

Der Widerstand der Gewerkschaften ist massiv. Nach einem 48-stündigen Generalstreik am Dienstag und Mittwoch haben sie für Sonntag zu neuen Kundgebungen aufgerufen. Dann steht im Parlament die Abstimmung über den Haushalt an, der nun die neuen Sparmaßnahmen enthält.

"Im Öffentlichen Dienst herrschen Empörung und Aufruhr", sagt Petros Ketikidis von der Gewerkschaft Adedy. "Wir weigern uns, auch nur eine einzige Entlassung zu akzeptieren." Notfalls werde man auf ein Rezept aus den neunziger Jahren zurückgreifen, als die Regierung schon einmal öffentlich Bedienstete entlassen wollte. "Damals setzten wir uns durch, indem wir Treffen der Entscheidungsträger unterbunden haben. Wir sind bereit, dasselbe nun wieder zu tun", sagt Ketikidis.

Zum Konflikt um die Einsparungen kommt die weiterhin ungeklärte Frage, wie eine neue Lücke in den griechischen Staatsfinanzen geschlossen werden soll - was weitere Belastungen für die übrigen Euro-Länder bedeuten könnte. Hier liegen die Europäer laut einem griechischen Regierungsvertreter komplett mit dem IWF über Kreuz. "Die EZB und Berlin wollen keinerlei Verluste in Kauf nehmen. Der IWF hingegen besteht darauf, er könne weiteres Geld nur bewilligen, wenn die Tragfähigkeit der Schulden gesichert ist."

Von der Krise der griechischen Dreierkoalition könnte vor allem das Linksbündnis Syriza profitieren. Laut einer aktuellen Umfrage glauben fast 60 Prozent der Griechen, dass im Fall von Neuwahlen derzeit Syriza gewinnen würde. "Die Regierung wird innerhalb weniger Monate fallen", sagt der Syriza-Abgeordnete Dimitris Papadimoulis. "Wir sind bereit zu regieren."

Premier Samaras jedoch hofft auf die Verabschiedung des Haushalts am Sonntag. Anschließend plant er in der kommenden Woche eine Reihe von Treffen mit Entscheidungsträgern in Brüssel. Diesmal soll es mehr als Schulterklopfen geben, Samaras will endlich die Zusage der neuen Finanzhilfen. Sind sie gesichert, könnte der Regierungschef das nächste Projekt angehen: eine Umbildung seines kriselnden Kabinetts.

Übersetzung aus dem Englischen: David Böcking