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Erdfälle: In Thüringen öffnet sich die Erde

Foto: Heiko Matz/ dpa

Häufige Erdfälle In Thüringen reißt der Boden auf

Ein geologisches Phänomen sorgt in Thüringen für Aufregung: Vielerorts reißt der Boden auf, metergroße Krater entstehen. Sogenannte Erdfälle sind diesen Winter extrem häufig - und niemand weiß, wo sich das nächste Loch auftut.

Ein gruseliges Naturphänomen sorgt in Thüringen für Aufregung: An vielen Stellen reißt plötzlich die Erde auf, in einem Krater in Nordhausen versank sogar ein Laster. In den ersten Wochen dieses Jahres seien in Thüringen bereits zehn sogenannte Erdfälle registriert worden - so viel wie sonst im ganzen Jahr, berichtet der Geologe Jürgen Wunderlich von der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG).

In Tiefenort bildete sich ein Krater neben einer Straße und macht umliegende Häuser unbewohnbar. Bei Bad Frankenhausen sackt ein Acker zwölf Meter tief ab. Thüringens Umweltminister Jürgen Reinholz (CDU) sah sich gar dazu veranlasst, vor Panik zu warnen.

Ursache für die Vielzahl der plötzlichen Absenkungen sei die Witterung, sagt Wunderlich: "In feuchten Jahren gibt es grundsätzlich mehr Erdfälle als in trockenen." Durch die großen Schneemengen sickere vermehrt Schmelzwasser in den Untergrund, das Minerale löse.

In Regionen wie Thüringen, in denen große Mengen wasserlösliche Substanzen wie Gips oder Kalk im Boden liegen, gibt es regelmäßig Erdfälle. Die entstehenden Hohlräume brechen aufgrund der Last aufliegender Erde ein.

Auch in der Schwäbischen Alb und im Ruhrgebiet gehört das plötzliche Aufreißen der Erde zur Normalität. In der Alb löst Grundwasser den kalkigen Karstboden, es entstehen zumeist kreisrunde Trichter, sogenannte Dolinen. Im Ruhrgebiet ist das Phänomen hingegen von Menschen gemacht: Kollabierende Kohlestollen reißen dort regelmäßig den Boden auf.

Thüringens Umweltminister sieht Anlass zur "Obacht"

Aus Sicht von Thüringens Umweltminister Reinholz bestehe in seinem Bundesland nun zwar Anlass zur "Obacht", jedoch nicht zu großer Besorgnis. Zehn bis zwanzig Erdfälle pro Jahr seien normal. Präventiv könne man nichts dagegen tun, das Naturphänomen sei "völlig unberechenbar". Zur Klärung der Rechtsfolgen solcher Erdfälle werde derzeit das "Thüringer Hohlraumgesetz" überprüft. Es sei unklar, ob es zur Anwendung komme, weil es eigentlich den Altbergbau betreffe. Die Erdfälle hätten aber eine natürliche Ursache.

Für Betroffene wie die 13 Anwohner von Tiefenort, die nicht in ihre Häuser zurückkehren dürfen, bedeutet das konkret: Sie können nicht auf Entschädigungen hoffen. Der Minister stellt denn auch klar: Wer auf gefährdetem Gelände ein Haus baue, trage grundsätzlich das Risiko. Er verwies darauf, dass sich Bürger auch gegen Erdfälle versichern lassen könnten. Das Land zahlt den Betroffenen in Tiefenort aber eine Soforthilfe von 10.000 Euro.

Von Erdfällen sind in Thüringen vor allem die Karstlandschaft im Kyffhäuserkreis und der Schiefergebirgsrand zwischen Saalfeld und Gera betroffen. Auch die Umrandung des Kalireviers im Südwesten des Freistaats ist gefährdet. Zu diesem Gebiet zählt auch Tiefenort.

Der dort nun entstandene Krater war zehn Meter breit, der Schlund nach dem Einbruch des Ackers in Nordthüringen hatte einen Durchmesser von 20 Metern. Erdfälle können theoretisch auch gewaltige Ausmaße annehmen: So gehe etwa der zehn Hektar große Burgsee in Bad Salzungen auf einen Erdfall in prähistorischer Zeit zurück, sagte Wunderlich.

Dem Geologen zufolge sackt die Erde häufiger in Wald- und Wiesengebieten als in Dörfern und Städten ab. Siedlungen seien seit jeher bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa Bad Frankenhausen, nicht in gefährdeten Gebieten entstanden. Allerdings werde der städtische Wohnraum knapper, so dass zunehmend auch solche Areale besiedelt würden. Die Kommunen müssten vorsichtig bei der Ausweisung von Baugrund sein. Sollten dort Häuser gebaut werden, müssten sie besonders massiv sein.

boj/ddp